Donnerstag, 07. April 2011 13:30
Die lustigen Nachrichten sind fast immer die besseren Nachrichten. Zumindest in Hinblick auf Zuträglichkeit und Anhebung der allgemeinen Lesefreude im WWNetz. Daher nehme ich mir heute wieder einmal einen Artikel von orf.at zur Brust, der - so denke ich - doch in der Lage wäre, ein kleines Lächeln auf den Mund so manches Lesers zu zaubern. Die Überschrift: »75-Jährige unterbricht Internetverbindung zweier Länder« - dies verheißt doch schon den einen oder anderen Schmunzler, oder?! Bei Durchsicht des weiterführenden Textes kann man dann lesen, dass eine pensionierte Dame in Georgien auf der Suche nach Altmetall tatsächlich (bzw. eher vermeintlich) fündig wurde. Allerdings soll es sich dabei nicht um den üblichen Elektroschrott (Kupferkabel von Eisenbahn-Signalanlagen, Kupferkabel aus dem örtlichen Stromnetz,...) gehandelt haben, sondern leider um genau jene Glasfaser-Datenleitung, welche Armenien mir Georgien verbinden würde. Die Dame hätte das Kabel dennoch durchgetrennt um es dem Metallhändler ihrer Wahl feilzubieten. Jetzt wurde sie ausgeforscht, gleich danach aber wieder freigelassen.
So weit, so gut. Ob der Text tatsächlich der Realität entspricht, ist dabei gar nicht so wichtig - es geht ja nicht um die Nominierung zum Pulitzer-Preis. Soll doch nur ein wenig Spaß bereiten - freilich mit dem gewissen Zusatznutzen der kleinen Steigerung eines eventuell doch vorhandenen Allgemeinwissens. Wie kann aber beim Horstl-Normal-User wirklich großer »Spaß« aufkommen, wenn da kein aussagekräftiges Foto beim Artikel dabei ist? Und weil offenbar von der älterten Dame kein Schnappschuß in Ausübung ihrer Sammeltätigkeit angefertigt wurde, sieht man sich als Anbieter von Internet-Nachrichten gezwungen, irgendein möglichst passendes Foto zu dem Artikel mitzuliefern. Der Text kommt sowieso von einer Presseagentur, den muss man nur mehr ein wenig abändern (oder auch nicht!). An genau diesem Punkt möchte ich heute ansetzen. In meiner (Eigen-)Art als Erbsenzähler und Klugdingser wird also hier eine kleine Abhandlung über die Recherchierfreudigkeit der jeweiligen Redakteure entstehen.

1.) T-Online Digital Computer-News: Dieses Foto zeigt immerhin eine Art von Lichtleiter, meiner Vermutung nach aber eher aus dem Bereich »Licht als Dekorationsobjekt«. Nein, Spass. Das Foto ist etwas zu klein, um es genau analysieren zu können, aber so etwas wird eher nicht als Hauptdatenleiter zwischen zwei Ländern vergraben - mir fehlt da eine entsprechende Schutz-Ummantelung. Aber immerhin schreibt man dort groß »Symbolfoto« unter die Abbildung.
2.) Der weltweite Pressedienst AFP (ist übrigens derzeit per Internet nicht erreichbar, vielleicht gibt es dort auch unbeugsame Altstoffsammler?) zeigt auch ein recht interessantes Bild. Ich weiß nur nicht, was ich der Darstellung entnehmen soll!? Dass der User mit Win-XP auf einem IBM-Laptop arbeitet? Dass er den IE bevorzugt? Dass er das Standard-Farbschema benutzt? Oder gar, dass er nicht verheiratet ist? Fragen über Fragen, welche aber alle nichts mit der Geschichte zu tun haben. Der Zusammenhang zwischen Story und Foto ist gleich groß, wie jener zwischen einem Toaster und violett.
3.) Salburg24.at: Hier macht man gleich Nägel mit (Wasser-)Köpfen. Ein Bild mit viel Kabel und einer Person. Darunter ist folgender Text zu lesen: »Frau hatte auf Altmetallsuche Glasfaserkabel durchtrennt«. Leserherz, was willst du mehr?! Naja, da wüßte ich schon ein paar Sachen: Das ist keine Frau, sondern eher ein jüngerer Mann. Und der steht auch nicht irgendwo in der Tundra zwischen Armenien und Georgien, sondern auf einer Baustelle. Und wenn die Kabel hinter ihm tatsächlich Glasfaserkabel wären, dann dürfte er sich diese gerne mit nach Hause nehmen - denn sie wären bereits nicht mehr einsatzfähig. Man kann relativ deutlich einige Stellen an den Kabeln sehen, an welcher der minimale Biegeradius solch eines Kabel bereits mehrmals unterschritten wurde, es taugt also gerade noch für den lustigen (und dennoch veralteten) Einsatz als Glasfaserlampe im Jugendzimmer.
4.) Die Krone. Nicht etwa jene der Schöpfung, sondern jene von Österreich. Mit der Technik scheinen sie es dort nicht ganz so genau zu nehmen, wie z.B. mit Leserbriefen von Bundeskanzlern und anderen Politikern. Deren Foto samt zugehöriger Beschreibung schießt heute tatsächlich den Bock ab. Oder macht den Vogel zum Gärtner. Oder so. Großmundig wird der erste Satz der Bildunterschrift mit »Dieses Kabel hätte sie besser nicht angerührt...« begonnen. Ich habe hier eine geheime Information für den Technik-Redakteur der Krone: HAT SIE EH NICHT!!! Das ist nämlich der Stecker eines ganz normalen 8-pol. Cat5(e)-Kabels, welches praktisch jeder Computer-User mit Internet-Anschluss selber zu Hause herumliegen hat. Hätte dies auch nur annähernd den Wert des im Artikel beschriebenen Kabels, dann würde ich sofort die Weltherrschaft an mich reißen, denn bei mir liegen an die 200 Meter solcher Kabel einfach so im Haus herum.

Ja bitte heastheast


Sehr schwer zu beschreiben.
Prinzipiell kommt »heast« von »hörst Du?«. Verwendet wird es aber kaum in diesem Sinne. Seine Bedeutung liegt viel eher in einem entsetzten Ausruf des Missfallens - dargebracht mit einem langgezogenen und unterschwelligen Ton der Enttäuschung. Der Satz »...na geh heast!« zeigt dabei die so ziemlich stärkste mögliche Form des Unbehagens.
- gibt's denn sowas? Na echt!! Vier verschiedene Berichte - und in keinem wird auch nur annähernd stimmiges Bildmaterial gezeigt! Was ist also dann mit all den Berichten, mit welchen ich mich über Themen informieren möchte, bei denen ich mich so gar nicht auskenne? Darf ich dann anderen Fotos und Abbildungen überhaupt vertrauen? Oder wird eh nur irgendein Schrott gezeigt - Haupsache: leicht verfügbar, möglichst bunt und absolut billig?! Ist jetzt aber nur eine rein rhetorische Frage - ich kenn' die Antwort eh! ;-)

Aber, es existiert tatsächlich so etwas wie (zaghafte) Hoffnung. Zur Ehrenrettung des Standes der Technik-Journalisten sei der Beitrag einer Online-Zeitung hervorgehoben:
5.) Und zwar jener vom KURIER. Ja lieber Leser, ziemlich genau so, wie im Beitrag vom Online-Kurier abgebildet, sieht jenes Glasfaser-Datenkabel tatsächlich aus, welches in den Artikeln beschrieben wird. Hat halt am Foto relativ wenig von Glas und auch kaum was von Kabel und schon gar nix von Faser. Birgt halt etwas mehr den Charme der Zugleitung einer Seilbahn. Aber genach so ist es. Ein Glasfaser-Kabel ist in der Tat etwas höchst unspektakuläres - und trotzdem sauteuer.
Und dafür hat sich der KURIER als Einziger für heute den echten Link zum Beitrag verdient.


(C) mArtin, im September 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


Da einige meiner Texte ohnehin bereits an anderer Stelle verwendet wurden/werden, dürfen sie also unter Angabe der Quelle auszugsweise verwendet werden. Bitte aber den passenden Link zum entsprechenden Beitrag im Rahmen der Zitat-Kennzeichnung kopieren und einfügen. Denn irgendwann möchte ich auch reich und berühmt werden. Oder auch nicht. Herzlichen Dank und weiterhin viel (Lese-)Freude!