Dienstag, 12. Dezember 18:10
Das Buch, welches ich diese Woche fertig aufgenommen habe, hat mir einiges zu denken gegeben. Mein erster Gedanke, als ich erfuhr, dass es das Buch eines Serben sei, war, nun ja, doch eher zwiespältig. Ich möchte doch keine Vorurteile haben – habe sie aber doch, weil ich mit Serben in Wien – sprich: Ottakring – eher ungute Erfahrungen gemacht habe. Wäre da nicht diese eine Familie serbischer Abstammung in meiner Jugend gewesen, die so gänzlich anders, so liebevoll und freundlich war ...

Das Buch, so stellt es sich schon auf den ersten Seiten heraus, bekräftigt aber auch wirklich alle Vorurteile, die man über die Serben im Allgemeinen hat. Extrem nationale Gesinnung, schlechte Umgangsformen, ein derbes Patriarchat innerhalb der Familie, verschiedenste Formen der Gewalt sind an der Tagesordnung. Schon bald aber ändert sich der Duktus des Buches. Die zuvor beschriebenen Haltungen und Unarten bleiben zwar konstant in den Texten erhalten, aber man erfährt den Hintergrund, erfährt, warum das so ist, oder so sein könnte. Ein Volk, das belogen und betrogen wurde, ein Volk, das mehr oder weniger vertrieben und aufgespaltet wurde, ein Volk, das nur wenig Aussicht auf Veränderungen hat, ein Volk, dessen junge Menschen kaum die Möglichkeit haben, positiv in die Zukunft zu blicken, ein Volk, dass mit allen möglichen Auswirkungen von Krieg und dem daraus entstehenden Elend umgehen muss.

»18 Kilometer bis Ljubljana« von Goran Vojnovic würde ich als sehr gelungenes Buch bezeichnen. Es gelingt dem Autor, dass man zu den Protagonisten eine Art Beziehung bekommt. Dass man nach und nach versteht, warum der Eine sich einer ausufernden Drogensucht hingibt und der Andere im Muslimischen Glauben als Wahhabit seine Erfüllung sucht. Man erfährt von einer miserablen medizinischen Situation in großen Teilen der Bevölkerung, vom immerwährenden schwelenden Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Christen, man erfährt, dass die Situation in Slowenien alles andere als schön ist.

Gegen Anfang habe ich das Buch nicht wirklich gemocht, gegen Ende desselben darf ich wohl behaupten, dass ich nun ein großer Fan davon bin. Und, was fast noch wichtiger ist, ich kann die Serben jetzt wirklich besser verstehen...

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(C) mArtin, im November 2024.
Und ich bin wirklich nicht immer stolz darauf.
Manchmal aber sehr wohl.


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